Was passiert, nachdem der Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Möglichkeit zur Ausreise von DDR-Bürgern in der Prager Botschaft verkündet? Die Tschechoslowakei öffnet schon am 4. November 1989 die Grenze zur BRD und ermöglicht so den Botschaftsflüchtlingen die Ausreise. Allein am Grenzübergang Schirnding in der Nähe des bayerischen Selb reisen zwischen dem 4. und 9. November ’89 zwischen 45.000 bis 65.000 DDR-Bürger*innen über die zwei möglichen Punkte ein: Zollamt Straße und Zollamt Bahnhof. Die Polizei regelt die Einreise. Das Rote Kreuz und die Bevölkerung empfängt die Flüchtlinge mit Verpflegung. Euphorie und Freude über die historische Grenzöffnung sind groß.
Die vielen Menschen zu koordinieren in ihrem ‚plötzlichen Auftauchen‘ und die Einreise zu steuern ist eine Mammutaufgabe. Die Beamten vor Ort erhalten die dienstliche Weisung, nicht jede Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Teilweise stehen die Autos bis zu 10 km vor der Grenze auf Seiten der Tschechoslowakei im Stau. Die Verkehrssituation hinter der Grenze ist kaum besser.
Nur wenige Flüchtlinge bleiben in der Region. Eine junge Familie aus Ostberlin kommt mit einem der ersten Sonderzüge aus Prag in der Region Selb an. Der Vater – ein 26jähriger Metzgergeselle – wird direkt nach dem Grenzübertritt von einem bayerischen Metzger aus Hohenberg übernommen. Kaum im Westen, kann die Familie in der Region Fuß fassen.
Doch was liegt hinter dem Grenzübergang? Die Region Selb bleibt eine Durchreisestation für die meisten und die wenigsten fassen Fuß in der Gegend. Nach der Freude über den geglückten Grenzübertritt in Schirnding reisen die Menschen noch weiter gen Westen.
Die bayerischen Beamten geben den DDR-Flüchtlingen kopiertes Kartenmaterial auf den Weg, damit die wissen, wohin sie weiter müssen. Die DDR-Flüchtlinge fahren hinter Schirnding weiter zu ihrer ‚Westverwandschaft‘ oder in Flüchtlingsunterkünfte einer ungewissen Zukunft entgegen.